Zu meinen Anfangszeiten als Gassigänger hatte ich logischerweise nur grundlegende Erfahrungen und Kenntnisse über die ganz speziellen Charaktereigenschaften von Hunden, speziell natürlich über die Rassen, die man heute zu den Listenhunden, SoKas etc. zählt. Was ich heute so an ihnen so liebe und schätze, ihren Dickschädel, die Sanftheit und Anhänglichkeit/Verschmustheit vereint in einen mehr oder weniger muskulösen Äußeren,die Grobmotoriker auf vier Pfoten..das war Neuland für mich und mir irgendwie „fremd“. Klar..ich mochte sie alle, das Gassigehen mit ihnen und den anderen Hunden klappte für meine eigenen Ansprüche sehr gut, ich genoß es, nach den Gassirunden bei ihnen im Zwinger zu sein, aber so richtig eng schmusen, wild raufen und spielen, das besabbert werden etc. traute ich mich dann doch nicht.
So ein Fall war z.B. Bill, ein Britisch-Staffordshire-Terrier, der aus einem anderen TH zu uns kam (ich war damals noch nicht bei Pit-Staff): Fast alle anderen Gassigänger mieden ihn wohl wegen der gängigen Vorurteile und so wollte auch kaum einer mit ihm Gassi gehen.
Da ich aber eher der Typ bin, mir erst ein eigenes Bild von etwas zu machen, bevor ich etwas auf andere Meinungen gebe und mich bei solchen Angelegenheiten besonders der Ehrgeiz packt, kümmerte ich mich um diesen (im meinen Augen) „tiefergelegten, jungen“ Boxermischling ;-).
Das er weder jung, noch ein Boxermischling war, fand ich erst im Gespräch nach dem ersten, gemeinsamen Gassigang heraus..aber da war es bereits passiert..der nächste Hund nach Jacko (eine Schäferhund-Promenadenmischung, der kurz vorher glücklicherweise vermittelt wurde), um den ich mich ganz besonders kümmern wollte, wurde Bill ==> Die erste und die letzte Gassirunde meiner wöchentlichen Tierheimbesuche gehörte somit selbstverständlich ihm!
Dann ergab es sich, dass das TH regelmäßig eine Hundeschule zur besseren Vermittlung unserer Hunde einführte und so beschloß ich eines leichtsinnigen 😉 Tages, Bill soll auch dabei sein.
Jedenfalls schnappte ich ihn mir, an den Maulkorb hatte ich ihn bereits gewöhnt und dann ging es ab zu den anderen Teilnehmern. Das diese Aktion (Zweibeiner = Überfordert mit den einfachsten Dingen, Hund = kaum Kenntnisse der Grundkommandos und dazu viele andere Artgenossen, die er nicht mochte) mächtig in die Hose ging, brauche ich wohl nicht zu sagen.
Nach ca. einer halben Stunden brach ich das Training ab. Ich war fix & fertig und körperlich sowie nervlich total am Ende..aber Bill freute sich, diese Tortur endlich hinter sich zu haben. Ich ging also den Tränen nahe zurück in Richtung Tierheim und redete dabei laut mit meinen Hund an meiner Seite (Warum machst Du das? Ich will doch nur, dass Du endlich ein neues Zuhause bekommst, warum kannst Du Dich nicht zusammenreissen usw usw. man kennt ja das übliche „Vermenschlichen“ eines Tieres in solchen Situationen).
Jedenfalls blieb ich irgendwann stehen, inzwischen liefen Tränen über mein Gesicht und Bill schaute mit schiefen Kopf zu mir empor. Ich ging in die Knie, um ihm nochmals alles zu „erklären“ als er plötzlich schwanzwedelnd anfing, mir das Gesicht von oben bis unten abzulecken und seine beiden Pfoten auf meine Knie zu legen. Ich war baff…und meine ganze Verzweiflung und Trauer war mit einem Schlag im wahrsten Sinne des Wortes weggefegt. Dieser Hund, mit dem Andere nicht gehen wollen, weil er doch „so gefährlich“ sein soll, leckt mir voller Hingabe meine Tränen vom Gesicht.
Genau dieser Moment war es, als ich für mich beschloß: Ab sofort widme ich mich ganz speziell diesen „ungeliebten“ Hunderassen ..was mich einige Jahre später direkt zum TSV Pit-Staff führte.